von | 17. Juli 2025 | Allgemein

💡WEG Kredite: Wenn das Dach leckt und die Kasse leer ist

Stellen Sie sich vor, das Dach Ihres Mehrfamilienhauses ist undicht, die Fassade bröckelt und der Aufzug bleibt regelmäßig stecken. Die Eigentümerversammlung ist sich einig: Es muss dringend saniert werden. Doch die Erhaltungsrücklage reicht nicht aus, eine Sonderumlage ist für viele Eigentümer nicht tragbar. Was nun? In solchen Fällen rückt eine bislang wenig genutzte, aber zunehmend relevante Option in den Fokus: Kredite für Eigentümergemeinschaften. Doch wie funktioniert das eigentlich? Wer haftet? Und was sagt das Gesetz dazu? In diesem Artikel beleuchten wir die rechtlichen, finanziellen und praktischen Aspekte von Krediten bei Gemeinschaften der Wohnungseigentümer (GdWE) – fundiert, verständlich und praxisnah.

🔍Was ist eine Eigentümergemeinschaft?

Eine Eigentümergemeinschaft entsteht automatisch, wenn mehrere Personen Anteile an einer Immobilie besitzen – typischerweise in Form von Eigentumswohnungen. Sie verwaltet das sogenannte Gemeinschaftseigentum, also z. B. Dach, Fassade, Treppenhaus oder Heizungsanlage.

Die rechtliche Grundlage bildet das Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Es regelt unter anderem:

  • die Rechte und Pflichten der Eigentümer,
  • die Aufgaben des Verwalters,
  • die Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung,
  • und die Finanzierung gemeinschaftlicher Maßnahmen

💶 Finanzierungsmöglichkeiten: Rücklagen, Sonderumlage oder Kredit?

1. Erhaltungsrücklage

Jede GdWE ist verpflichtet, eine Erhaltungsrücklage zu bilden. Diese dient der Finanzierung von Reparaturen und Sanierungen am Gemeinschaftseigentum. Die Höhe ist gesetzlich nicht festgelegt, sollte sich aber an der sogenannten Petersschen Formel orientieren (ca. 0,8–1,0 % des Gebäudewerts pro Jahr).

Alternativen zur Petersschen Formel: Wie viel Rücklage ist wirklich genug?

Die Peterssche Formel ist zwar weit verbreitet, aber nicht alternativlos. Gerade bei älteren Gebäuden oder besonderen Ausstattungen kann sie zu ungenau sein.

Weitere Orientierungen:

  • Richtwerte aus dem sozialen Wohnungsbau: 7–11 €/m² Wohnfläche pro Jahr
  • Individuelle Lebenszyklusanalysen: maßgeschneiderte Rücklagenstrategien durch Gutachter
  • II. Berechnungsverordnung (II. BV): 1,0–1,5 % der Herstellungskosten jährlich
  • Empirische Erfahrungswerte: 20–30 € monatlich pro Einheit bei mittlerem Sanierungsbedarf

Fazit: Die optimale Rücklagenhöhe hängt stark vom Objekt ab. Eine regelmäßige technische Zustandsbewertung hilft, die Rücklage realistisch zu planen.

2. Sonderumlage

Reichen die Rücklagen nicht aus, kann die Eigentümerversammlung eine Sonderumlage beschließen. Diese ist jedoch oft unpopulär, da sie kurzfristig hohe finanzielle Belastungen für die Eigentümer bedeutet.

3. WEG-Kredit

Ein WEG-Kredit ist ein gemeinschaftlich aufgenommener Kredit zur Finanzierung von Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum. Er wird von der Eigentümergemeinschaft als natürliche Person aufgenommen, nicht von den einzelnen Eigentümern.

 „Die Gemeinschaft kann – anders als einzelne Eigentümer – unabhängig von Alter oder Bonität Darlehen aufnehmen. So lassen sich wichtige Investitionen stemmen, ohne private Rücklagen anzugreifen.“ erklärt Nico Kühner, Vorstand der TEN31 Bank AG.

„In vielen Wohnungseigentümergemeinschaften sind die Rücklagen zu niedrig – und wenn Sanierungen nötig werden, bleibt oft nur die Sonderumlage. Das bringt vor allem ältere Eigentümer oder Haushalte mit wenig Einkommen schnell an ihre Grenzen.“, warnt Nico Kühner, Vorstand der TEN31 Bank AG.

⚖️ Rechtliche Grundlagen: Was sagt das Gesetz?

Die WEG-Reform 2020 hat die Kreditaufnahme durch Eigentümergemeinschaften erleichtert. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits 2012 entschieden, dass eine WEG grundsätzlich Kredite aufnehmen darf, auch wenn Rücklagen oder Sonderumlagen theoretisch möglich wären. Wichtig ist:

  • Der Beschluss zur Kreditaufnahme muss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen.
  • Die Maßnahme muss klar beschrieben und mehrheitlich beschlossen werden.
  • Die Haftung liegt zunächst bei der Gemeinschaft, nicht bei den einzelnen Eigentümern

🏦 Voraussetzungen für die Kreditvergabe durch Banken

Banken prüfen bei der Kreditvergabe an WEGs unter anderem:

  • den Wirtschaftsplan und die Hausgeldabrechnungen,
  • die Bonität der Gemeinschaft,
  • die Höhe der Rücklagen,
  • und die Beschlusslage zur Maßnahme und Finanzierung 

Einige Förderbanken wie die L-Bank oder die KfW bieten spezielle Programme für energetische Sanierungen oder barrierefreie Umbauten inklusive Tilgungszuschüssen an. 

🧱 Sanierungsbedarf in Deutschland: Eine unterschätzte Herausforderung

🔥Energetischer Sanierungsbedarf

Laut IW Köln liegt der energetische Sanierungsbedarf deutscher Wohngebäude bei rund 500 Milliarden Euro. Die Sanierungsquote liegt jedoch bei nur 0,69 %, obwohl mindestens 2 % jährlich notwendig wären

🧰Baulicher Instandhaltungsbedarf

Zusätzlich zum energetischen Bedarf besteht ein erheblicher baulicher Sanierungsstau:

  • 15–20 % des Gebäudewerts gelten bei älteren Gebäuden als aufgestauter Instandhaltungsbedarf
  • Durchschnittliche Kosten: 300–600€/m² für einfache Instandsetzungen, bis zu 1.200€/m² für umfassende Modernisierungen.

Das bedeutet: Viele Eigentümergemeinschaften stehen vor einem doppelten Investitionsdruck, energetisch und baulich.

📈 Inflation, Baukosten & Kredit: Warum sich schnelles Handeln lohnen kann

In Zeiten hoher Inflation und steigender Baupreise kann ein frühzeitig aufgenommener Kredit wirtschaftlich sinnvoller sein als langes Sparen. Warum?

💸 1. Inflation entwertet Schulden

Ein Kredit mit festem Zinssatz verliert durch Inflation real an Wert. Das bedeutet: Die Rückzahlung wird mit „entwertetem“ Geld geleistet, ein Vorteil für Kreditnehmer da in einer Phase hoher Inflation Kreditnehmer dadurch profitieren, dass der real gemessene Wert Ihrer Schulden sinkt.

🧱 2. Baukosten steigen schneller als Rücklagen wachsen

Zwischen 2010 und 2022 sind die Baupreise in Deutschland um 64 % gestiegen, während die allgemeine Inflation nur bei 25 % lag. Allein im Jahr 2025 stiegen die Baupreise um weitere 3,2 %. Wer also heute spart, um in fünf Jahren zu sanieren, riskiert, dass die Maßnahme dann deutlich teurer wird, oder gar wesentlich schwieriger finanzierbar ist.

3. Zeit ist Geld: Im wahrsten Sinne des Wortes

Ein früher Kredit ermöglicht es, sofort zu sanieren. Das spart nicht nur Geld, sondern verhindert auch Folgeschäden, Mietausfälle oder Wertverluste durch verschleppte Maßnahmen.

„Ein WEG-Kredit kann helfen, Maßnahmen umzusetzen, bevor sie teurer oder gar unmöglich werden.“ – RA Dörfer, Kanzlei für Immobilienrecht

📊 Vorteile und Risiken eines WEG-Kredits

✅ Vorteile

  • Planbare Finanzierung großer Maßnahmen
  • Vermeidung hoher Sonderumlagen
  • Niedrige Zinsen bei Förderkrediten
  • Wertsteigerung der Immobilie durch Sanierung

❌ Risiken

  • Nachschusspflicht bei Zahlungsausfällen einzelner Eigentümer
  • Langfristige Bindung an Kreditverträge
  • Haftungsrisiken bei unklarer Beschlusslage
  • Verwaltungsaufwand für Verwalter und Beirat

🧠 Expertenmeinungen: Was sagen Juristen und Verwalter?

„Ein WEG-Kredit ist kein Allheilmittel, aber in vielen Fällen die einzige realistische Option, um notwendige Maßnahmen umzusetzen.“ – Gabriele Weintz, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

„Die größte Herausforderung ist die Kommunikation: Eigentümer müssen verstehen, dass ein Kredit nicht automatisch bedeutet, dass sie persönlich haften.“ – Alexander C. Blankenstein, Rechtsanwalt und Fachautor

📈 Praxisbeispiel: Sanierung mit Kredit

Eine WEG in Köln beschloss 2023 die energetische Sanierung ihrer 40 Jahre alten Wohnanlage. Die Kosten beliefen sich auf 1,2 Mio. €. Die Rücklagen deckten nur 300.000 €. Eine Sonderumlage hätte jeden Eigentümer mit rund 15.000 € belastet, was sich für viele untragbar darstellte.

Die Lösung: Ein gemeinschaftlicher WEG-Kredit über 900.000 €, verteilt auf 60 Einheiten. Die Rückzahlung erfolgt über das monatliche Hausgeld. Ergebnis: Sanierung erfolgreich, Immobilienwert gestiegen, Gemeinschaft zufrieden.

📌 Fazit: WEG-Kredite als Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit

WEG-Kredite für Gemeinschaften der Wohnungseigentümer sind längst kein Tabuthema mehr. Sie sind ein notwendiges Instrument, um Immobilien zukunftsfähig zu machen. Ob energetische Sanierung, Barrierefreiheit oder Werterhalt: Ohne Finanzierung geht es oft nicht.

Doch wie bei jeder Finanzentscheidung gilt: Sorgfalt, Transparenz und rechtliche Absicherung sind das A und O. Mit einem klaren Beschluss, einem kompetenten WEG Verwalter und einer informierten Eigentümerversammlung kann ein WEG-Kredit der Schlüssel zu einer erfolgreichen Modernisierung sein.

Rechtlicher Hinweis

Die Inhalte dieses Blogartikels dienen ausschließlich der allgemeinen Information und stellen keine Rechtsberatung im Einzelfall dar. Trotz sorgfältiger Recherche übernehmen wir keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereitgestellten Informationen. Für eine verbindliche rechtliche Einschätzung wenden Sie sich bitte an eine qualifizierte Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt.

📚 Quellenverzeichnis

1. IW Köln – Sanierungspotenziale von Wohnimmobilien in Deutschland
iwkoeln.de – PDF-Studie 2024

2. Wikipedia – Peterssche Formel zur Instandhaltungsrücklage
de.wikipedia.org/wiki/Peterssche_Formel

3. BGH-Urteil zur Kreditaufnahme durch WEG (V ZR 244/14)
wohnen-im-eigentum.de – BGH zu WEG-Krediten

4. HVS Magazin – Sanierungsstau und seine Folgen
hausverwalterscout.de – Sanierungsstau Teil I

5. Wohnglück.de – Baupreise 2025: Prognosen und Zahlen
wohnglueck.de – Baupreise 2025

6. Statistisches Bundesamt – Baupreisindex 2025
destatis.de – Baupreise und Immobilienpreise

7. Haufe – Peterssche Formel in der Praxis
haufe.de – Erhaltungsrücklage (WEMoG)